ANOA-Präsident Dr. Jan Holger Holtschmit als Rückenexperte im SWR-Podcast „Das Wissen“
von Lisa Gauch
Baden-Baden, 18. Dezember 2024 Der SWR-Podcast „Das Wissen“ widmet sich in seiner Ausgabe vom 13. Dezember 2024 dem weit verbreiteten Problem der Rückenschmerzen in Deutschland. Unter dem Titel „Ich hab Rücken – Was hilft gegen die Volkskrankheit Nummer Eins?“ teilt Dr. Jan Holger Holtschmit, Präsident der Arbeitsgemeinschaft nicht-operativer orthopädischer manualmedizinischer Akutkliniken (ANOA) und Chefarzt am Marienhauskrankenhaus St. Wendel-Ottweiler als einer von mehreren Rücken-Experten seine jahrzehntelangen Erfahrungen bei der Behandlung von Menschen mit Beschwerden am Bewegungssystem.
Rückenschmerzen sind in Deutschland ein Leiden, das Millionen von Menschen betrifft. Die sogenannte „Punktprävalenz“ in der erwachsenen Bevölkerung liegt, wie der Podcast „Das Wissen“ informiert, bei knapp 40 Prozent. Das bedeutet, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt etwa 33 Millionen Deutsche sich fragen, was sie gegen ihre Rückenschmerzen im Nackenbereich, der Schulter oder in den Lenden tun können. Im Jahr 2021 waren bundesweit 26,2 Millionen Patientinnen und Patienten mit Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung, was fast einem Drittel der Bevölkerung entspricht. Rückenprobleme sind zudem für neun Prozent aller Krankheitstage verantwortlich und stehen damit an erster Stelle der Ursachen für Krankschreibungen.
Hinweise auf eine dringend notwendige Behandlung
Dr. Jan Holger Holtschmit, der die Abteilung für Konservative Orthopädie am Marienhauskrankenhaus St. Wendel-Ottweiler leitet, erklärt, dass hartnäckige Beschwerden in drei unterschiedliche Gruppen unterteilt werden. Bei Rückenschmerzen müsse in „red“, „yellow“ und „blue flags“ unterschieden werden. „Red Flags“ sind Hinweise, die auf die Notwendigkeit einer raschen und intensiven Diagnostik und Behandlung hindeuten, beispielsweise bei neurologischen Ausfällen durch einen Bandscheibenvorfall.
„Yellow Flags“ weisen darauf hin, dass ein Rückenschmerz Gefahr läuft, chronisch zu werden. Dabei spielen nicht nur die Dauer des Schmerzes, sondern auch Faktoren wie berufliche Belastungen oder Depressionen eine Rolle. Dr. Holtschmit betont: „Patientinnen und Patienten, die unter Depressionen leiden, haben nicht selten auch gehäuft Rückenschmerzen und ein passives Schmerzverhalten. Passives Schmerzverhalten bedeutet, dass man gerne in eine Schonhaltung geht, dass man wenig aktiv ist.“ Weitere Faktoren, die auf eine mögliche Chronifizierung hindeuten können, sind Rauchen, Übergewicht und eine geringe körperliche Kondition.
Die „Blue Flags“ beziehen sich auf arbeitsplatzbedingte Co-Faktoren, wie körperlich schwere Arbeit oder gleichförmige Körperhaltung bei der Arbeit. All diese Faktoren können zur Chronifizierung des Schmerzes beitragen, wodurch der Schmerz dann seinen natürlichen Warncharakter verliert und schwieriger zu behandeln ist.
Bis zu 30 Prozent der Behandelten nach ihrer Operation unzufrieden
In Deutschland lassen sich immer mehr Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, operieren. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der jährlichen Eingriffe an der Wirbelsäule zwischen 2006 und 2020 von 387.618 auf 808.507 gestiegen, was mehr als einer Verdoppelung entspricht. Allerdings sind bis zu dreißig Prozent der Behandelten nach ihrer Operation unzufrieden mit dem Ergebnis, einigen geht es sogar schlechter als vorher. Aufgrund dieser Tatsache warnen Fachgesellschaften, Schmerzexperten und Versorgungsforscher vor voreiligen Maßnahmen und empfehlen das Zweitmeinungskonzept vor jeder Operation mit größerer Tragweite.
Ein interdisziplinäres Team versorgt den Patienten
Dr. Holtschmit, als ANOA-Präsident und Orthopäde, unterstützt dieses Konzept und betont die Wichtigkeit eines ganzheitlichen Blicks auf die Schmerzen. Er verweist auf die Arbeit der ANOA-Kliniken, die bundesweit „multimodal“ behandeln. Diese multimodale Behandlung im vollstationären Bereich bedeutet, dass ein Team aus Fachärzten, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern, Masseuren sowie speziell geschultem Pflegepersonal gemeinsam an der Therapie der Patienten arbeitet. Dabei wird ein abgestimmtes Konzept verfolgt, und die verschiedenen Berufsgruppen tauschen sich regelmäßig aus.
Ein typischer Patient für das ANOA-Konzept könnte jemand sein, der seit längerem unter Rückenschmerzen, einer Verschleißerkrankung der unteren Lendenwirbelsäule sowie einem Bandscheibenvorfall leidet. Wenn trotz Schmerzmitteln, örtlicher Spritzenbehandlung und Physiotherapie keine Besserung eintritt, würde der Patient stationär in einer ANOA-Klinik aufgenommen werden.
Stressfaktoren werden mit betrachtet
Dr. Holtschmit erklärt den Aufnahmeprozess: „Im Rahmen des Aufnahmeprozederes wird der Patient dann ärztlich untersucht, pflegerisch aufgenommen, physiotherapeutisch untersucht. Er bekommt außerdem einen Termin bei der Psychotherapeutin, die dann mit ihm auch über die Schmerzerkrankung spricht, evaluiert, ob da noch andere psychische Faktoren eine Rolle spielen.“ Dabei wird besonders auf Stressfaktoren geachtet, da innere Anspannung auch zu muskulären Verspannungen führen kann, für die der Rücken besonders anfällig ist.
Das langfristige Ziel der ANOA-Kliniken ist es, Patientinnen und Patienten so zu unterstützen, dass sie ihre Schmerzen gut bewältigen bzw. über einen möglichst langen Zeitraum mit ihren Beschwerden zurechtkommen. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes wurde in einer Multicenter-Studie nachgewiesen, wie Dr. Holtschmit bestätigt.
Die vollständige Folge „Ich hab Rücken – Was hilft gegen die Volkskrankheit Nummer Eins?“ des SWR-Podcasts „Das Wissen“ mit weiteren Informationen und Experten-O-Tönen zum Thema Rückenschmerzen ist unter folgendem Link abrufbar:
Podcastfolge von Dorothea Brummerloh. Sprecherin: Elisabeth Findeis. Redaktion: Sonja Striegl. Regie: Günter Maurer.
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