Die Einbindung der ANOA ist eine tolle Bereicherung für den Kongress
von Lisa Gauch

Oberwesel, den 20. Januar 2025 Vom 3. bis 5. April 2025 wird in Leipzig der Europäische Kongress Manuelle Medizin (EKMM) stattfinden. Unter dem Motto „Manuelle Medizin und Funktionsmedizin – Hands on und Wissenschaft“ werden Expertinnen und Experten aus ganz Europa zusammenkommen, um die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse in der manuellen Medizin zu diskutieren. Der Kongress, der alle zwei Jahre veranstaltet wird, hat sich nach seinem Start im Jahr 2023 als wichtige Plattform für den fachlichen Austausch und die Weiterentwicklung der manuellen Medizin etabliert.
Im Vorfeld der Veranstaltung sprachen wir mit dem Kongresspräsidenten Dr. Kay Niemier über neue Themen, Highlights des Kongresses und die Zukunft der manuellen Medizin.
Herr Dr. Niemier, der Europäische Kongress Manuelle Medizin wird nun Anfang April zum zweiten Mal stattfinden und sicherlich – wie bereits 2023 – erfolgreich neue Impulse setzen. Rückblickend betrachtet: Was war überhaupt der Anlass zur Gründung dieses Kongresses und wie hat sich die Idee dafür entwickelt?
Dr. Niemier: Während der Corona-Pandemie wurden viele wissenschaftliche Kongresse ausgesetzt oder digital abgehalten. Als 2022 persönliche Treffen wieder möglich wurden, entstand die Idee, einen internationalen Kongress für Manuelle Medizin ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Hermann Locher, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin, wollten wir neue Impulse setzen.
Neue Impulse setzen. Okay. Und darüber hinaus? Was genau ist in Ihren Worten das übergeordnete Ziel, das Sie mit dem EKMM verfolgen?
Dr. Niemier: Unser Hauptanliegen ist es, die Bedeutung der Manuellen Medizin in Diagnostik und Behandlung von Beschwerden des Bewegungssystems hervorzuheben. Gleichzeitig möchten wir zeigen, dass die Funktionsmedizin über die Manuelle Medizin hinausgeht und sich weiterentwickeln muss, um der Komplexität von Schmerzerkrankungen gerecht zu werden. Unser Ziel ist es, den EKMM auch in Zukunft weiterhin alle zwei Jahre durchzuführen als das zentrale Forum für Manuelle Medizin in Deutschland und darüber hinaus auch in Europa. Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch aus Ländern wie Finnland oder Luxemburg waren von Anfang an mit am Start, und wir freuen uns auch 2025 sowie in den nächsten Jahren wieder auf eine internationale Beteiligung.
Wie hat sich der Kongress seit seiner Premiere 2023 weiterentwickelt? Welche Veränderungen oder Verbesserungen konnten Sie umsetzen?
Dr. Niemier: Erst einmal galt es, die verschiedenen internationalen Gesellschaften aus Österreich, der Schweiz und die europäischen manualmedizinischen Gesellschaften mit einzubeziehen, um das Event überhaupt international gestalten zu können. Der erste Kongress 2023 hat dann zunächst in einem hybriden Format stattgefunden. Aber die Manuelle Medizin lebt vom Anfassen von Menschen und vom Arbeiten von Angesicht zu Angesicht. Deswegen wird der zweite Kongress im April 2025 dann ein reiner Live-Kongress sein.
Sie sprachen gerade von Ihrer Suche nach Kooperationspartnern, die zunächst einmal anstand für Sie. Welche weiteren Herausforderungen haben Sie bei der Etablierung des Kongresses erlebt und wie sind Sie damit umgegangen?
Dr. Niemier: Die Etablierung eines neuen Events ist immer eine Herausforderung. Man muss sich gegen etablierte Kongresse behaupten und passende Kooperationspartner finden. Zudem ist die Organisation neben der klinischen Tätigkeit sehr zeitintensiv. Da die Manuelle Medizin kein universitäres Fachgebiet ist, arbeiten alle Beteiligten mit hohem Aufwand zusätzlich zu ihrer klinischen Arbeit für den Kongress. Dafür möchte ich auch jedem Einzelnen herzlich danken.
Und wie genau hat sich das wissenschaftliche Programm des Kongresses seit der ersten Veranstaltung weiterentwickelt? Was wird für Sie das Highlight in diesem Jahr?
Dr. Niemier: Das Highlight in diesem Jahr ist im Grunde der ganze Kongress. Wir haben spannende Themen und neue Schwerpunkte und ich hoffe natürlich, dass diese Inhalte vor Ort erneut so positiv von Kolleginnen und Kollegen aufgenommen werden, wie bereits 2023. Alles in allem war unsere „Premiere“ vor zwei Jahren ein sehr gelungener Kongress.
Was genau werden denn dieses Jahr die neuen Schwerpunkte sein?
Dr. Niemier: 2025 organisieren wir im Rahmen des EKMM erstmals ein Junglehrer-Treffen, bei dem sich Lehrer und Lehrerinnen, die an den Schulen für Manuelle Medizin – vorwiegend in Deutschland, Österreich und der Schweiz – ausgebildet wurden, treffen, austauschen und untereinander vernetzen können. Zudem wird es im Rahmen unseres Kongresses auch ein berufspolitisches Forum zum Thema „Quo Vadis Manuelle Medizin – wo stehen wir, wo wollen wir hin?“ geben, das sich mit der Positionierung und Entwicklung unseres Fachgebiets befasst. Ein ausgesprochen spannendes Feld!
Neu ist ja in diesem Jahr auch, dass sich die Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer manualmedizinischer Akutkliniken, also die ANOA, erstmals federführend mit an der Ausrichtung des Kongresses beteiligt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und welche neuen Perspektiven bringt sie in die Veranstaltung ein?
Dr. Niemier: Richtig. Das wollte ich gerade noch hervorheben, denn die Einbindung der ANOA ist natürlich eine tolle Bereicherung für den Kongress. Für mich persönlich lag die enge Zusammenarbeit hier natürlich auf der Hand: Ich selber bin seit vielen Jahren im Beirat und in einer der Arbeitsgemeinschaften aktiv und zugleich Präsident des EKMM. In meiner Klinik in Hagenow arbeiten wir ambulant, teilstationär und stationär nach dem ANOA-Konzept. Die enge Zusammenarbeit beim EKMM sehe ich letztlich als fließenden Prozess: Wir sind ja ein kleines Fachgebiet. Da ist es ganz besonders wichtig, dass die Expertinnen und Experten, die sich mit diesem Gebiet beschäftigen, zusammensetzen, um miteinander die Grundlage zu legen für eine gute wissenschaftliche Arbeit und eine gute Ausbildung von Medizinern und Therapeuten. Deswegen liegt es für mich auf der Hand, eine Verbindung insbesondere zur ANOA herzustellen. Die breite Vernetzung dient schließlich auch dazu, die transsektorale Versorgung vom Patienten bestmöglich gewährleisten zu können. Gleichzeitig profitiert die ANOA natürlich auch von dem Ansatz der Funktionsmedizin. Durch den Kongress erhält die Vereinigung mit ihren mittlerweile 37 Kliniken zudem neue Impulse und gibt natürlich auch relevante Impulse.
Inwiefern?
Dr. Niemier: Die ANOA ist auf der Veranstaltung im April mit zahlreichen Vorträgen präsent. Gleich zur Kongresseröffnung wird der Präsident, Dr. Jan Holger Holtschmit, zum Thema „Multimodale komplexe Behandlung des Bewegungssystems – stationäre Diagnostikstrategie von komplexen Funktionserkrankungen des Bewegungssystems“ referieren. Ein weiterer relevanter Agendapunkt wird beispielsweise der Workshop „Wie geht multimodale Schmerztherapie? - Planung einer erfolgreichen multimodalen Therapie anhand echter Patientenbeispiele“ von Frau Dr. Julia Wölfle-Roos aus der Fachklinik Ichenhausen sein. Alles relevante Themen, die auf unserem Kongress nicht fehlen dürfen. Daher ist es mir sehr wichtig, dass die ANOA auch in Zukunft zentral mit einbezogen wird.
Apropos Zukunft: Wie planen Sie, den Kongress in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln, um seine Bedeutung und Reichweite in der Fachwelt zu steigern?
Dr. Niemier: Wir streben an, die Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften wie der DGOU und der Schmerzgesellschaft weiter auszubauen. Unser Ziel ist es, dass der Kongress eine Signalwirkung über unser Fachgebiet hinaus entfaltet. Die Medizin und die Patienten können von einer Stärkung des funktionellen Denkens und Handelns nur profitieren.
Welche Vision haben Sie für die Zukunft des Europäischen Kongresses Manuelle Medizin?
Dr. Niemier: Wir möchten weg von eindimensionalen, oft rein strukturellen Betrachtungsweisen und unsere Patienten ganzheitlich und funktionell betrachten, diagnostizieren und therapieren. Dabei spielen das Empowerment von Patienten und die Förderung der Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle. Wir hoffen, dass diese Botschaft von Ärzten, Therapeuten, Fachgesellschaften, Patienten und nicht zuletzt von der Politik wahrgenommen wird.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!