„Die Zufriedenheit der Patienten ist die größte Motivation“

von Lisa Gauch

Dr. Georg Jäger, Chefarzt der Rommel-Klinik in Bad Wildbad

„Die Zufriedenheit der Patienten ist die größte Motivation“

Ein besonderes Jubiläum feiert in diesen Tagen Dr. Georg Jäger, Chefarzt der 1972 gegründete Rommel-Klinik: 25 Jahre lang hat er die Entwicklungen des Akutkrankenhauses für Erkrankungen des Bewegungsapparates mit den Fachrichtungen Orthopädie und Neurologie maßgeblich begleitet und gelenkt. Als Chefarzt, im Leitungskreis sowie als ärztlicher Direktor. Wir sprachen mit dem Orthopäden über die Arbeit in der Klinik, Erfolge, Hindernisse und über das ANOA-Konzept, das seit 2002 in Bad Wildbad praktiziert wird.

Herr Dr. Jäger, im Mai war es genau 25 Jahre her, dass Sie an der Rommel-Klinik in Bad Wildbad gestartet sind. Seitdem haben Sie in ihren verantwortungsvollen Positionen an der Klinik viel bewegt und erreicht. Was lag Ihnen in dieser Zeit besonders am Herzen?

Dr. Jäger: Oh, da gab es vieles, das mir am Herzen lag! Dazu muss man wissen, dass die Klinik zur Jahrtausendwende dabei war, ihren Akutstatus zu verlieren und in eine Rehaklinik umgewandelt zu werden. Vor diesem Hintergrund hatte es für mich oberste Priorität, die konservativen Behandlungskonzepte unter akutmedizinischen Bedingungen zu wahren, diese Prozeduren sicher zu stellen und somit auch den Fortbestand dieser Klinik unter privater Trägerschaft mit zu gewährleisten. Dafür war unter anderem die Neustrukturierung der Klinik – sowohl inhaltlich medizinisch als auch baulich – erforderlich. Ziel war es, eine neue Ausrichtung unter akutmedizinischen Rahmenbedingungen zu schaffen, weg von rehabilitativen Leistungen hin zu einer stärker diagnostisch ausgerichteten Klinik und einer aktivierenden Therapie. Das hat sehr viel Engagement erfordert, denn natürlich war es auch wichtig, die für die Patienten notwendigen und sinnvollen Therapieangebote deswegen nicht aus dem Auge zu verlieren, den ursprünglichen Charakter der Klinik aufrecht zu erhalten und zugleich alle Mitarbeiter bei dieser Entwicklung mitzunehmen. Denn diese sind schließlich das Herzstück unserer Klinik. Es war mir immer auch sehr wichtig, den wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitern und Patienten aufrecht zu erhalten. Selbst in schwierigen Zeiten. Ich denke, das ist uns allen gut gelungen. Mein Kernanliegen in der Summe: Etablierung und Bewahrung eines Konzeptes einer konservativen neuroorthopädischen Schmerztherapie unter akutmedizinischen Bedingungen.

Also ganz offensichtlich kein leichter Start für Sie als Chefarzt an der Rommel-Klinik. Was würden Sie rückblickend als das größte Hindernis benennen?

Dr. Jäger: Das zweifellos größte Hindernis respektive die größte Herausforderung waren die häufig unüberwindbar scheinenden, oft nicht sachgerechten, immer wieder pauschalisierenden Ablehnungen sinnvoller, medizinisch erforderlicher Behandlungen unserer Patienten durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen, die Auseinandersetzung mit den Kostenträgern und auch die sozialgerichtlichen Verhandlungen, kurzum also: die Bürokratie. Aber wir haben – auch dank der Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer manualmedizinischer Akut-Kliniken, kurz gesagt: der ANOA, in der wir seit vielen Jahren Mitglied sind – einige dieser Hindernisse überwunden. So haben wir viele Verfahren gewonnen und Behandlungsprozeduren mit zahlreichen Krankenkassen konsensiert. Im Ergebnis dürfen wir heute mit deutlich weniger Auseinandersetzungen leben als zuvor. Glücklicherweise!

Das klingt nach einem schönen Ergebnis Ihrer Arbeit sowie der Zusammenarbeit mit der ANOA. Was genau war denn Ihr größter Erfolg in Bad Wildbad oder anders gesagt: worauf sind Sie besonders stolz?

Dr. Jäger: Nun ja, stolz bin ich ein bisschen darauf, dass es gelungen ist, eine solche Klinik trotz aller Unkenrufe nicht nur überregional zu etablieren, sondern dass wir heute auch wirtschaftlich in der Lage sind, notwendige Investitionen zu realisieren. Als ich diese Stelle als Chefarzt damals antrat, hat man mir noch ein oder zwei Jahre prophezeit bis zur Auflösung des Hauses, jetzt sind 25 Jahre vergangen – und die Rommel-Klinik steht wirtschaftlich besser da als je zuvor. Was mich, neben dieser tollen Entwicklung, aber tatsächlich auch stolz macht ist die Tatsache, dass wir in unserer Klinik eine außergewöhnlich hohe Zufriedenheit der Patienten sowie der Zuweiser haben und – fast noch wichtiger nach meinem Empfinden – im Allgemeinen auch eine hohe Zufriedenheit der Mitarbeiter festmachen können. Das hat in meinen Augen einen besonderen Wert. Abgesehen davon ist es für mich ein schöner Erfolg, dass die Rommel-Klinik als eine der ganz wenigen Kliniken deutschlandweit für beide multimodale Prozeduren, die OPS 8-977 und die OPS 8-918, für die akutmedizinische multimodale Schmerztherapie zertifiziert ist. Auch eine Re-Zertifizierung haben wir im vergangenen Jahr gut überstanden. Der gute Ruf, den wir uns in all’ den Jahren erarbeitet haben, macht sich auch dadurch bemerkbar, dass wir viele Schmerztherapeuten ausgebildet haben und in Folge drei unserer Oberärzte, Herr Dr. Siregar, Herr Dr. Adermann und Herr Dr. Varga, auf Chefarztstellen für Kliniken mit konservativem Behandlungsschwerpunkt berufen wurden.

Die Bewertung Ihrer Klinik auf den gängigen Portalen fällt außergewöhnlich positiv aus. Worauf führen Sie dies zurück?

Dr. Jäger: Die Patienten merken, dass sie hier tatsächlich ausführlich untersucht werden, von Ärzten, Physiotherapeuten, Psychologen, von der Pflege, und dass darauf aufbauend eine weitere Diagnostik erfolgt. Wichtiger noch: dass sich die Fachgruppen untereinander austauschen und die Ergebnisse dem jeweiligen Gegenüber bekannt sind, somit ein multimodales Therapiekonzept individuell ausgerichtet erfolgen kann. Entscheidend ist aber Folgendes: die umfassende Informierung des Patienten zum Krankheitsbild. Nicht nur zu den Möglichkeiten, sondern auch zu den Grenzen der Therapieoptionen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber keineswegs: Zu uns kommen viele bislang nicht oder schlecht untersuchte Patienten, die zu ihrem Krankheitsbild und den therapeutischen Möglichkeiten erschreckend wenig wissen. Bei uns geht jeder Patient, und das ist sicherlich eines der wesentlichen Kriterien für die Zufriedenheit, mit einem für ihn plausiblen Konzept seine Erkrankung betreffend nach Hause. Und noch einmal: das funktioniert nur, weil Orthopäden, Neurologen, Physiotherapeuten, Pflege aber auch, und das ist wichtig, die assoziierten Berufsgruppen wie Raumpflege, Küche, Technischer Dienst, Medizinisch-Technischer Dienst und Verwaltung eng verflochten zusammenarbeiten. Dass dies erfolgversprechend ist, stellt kein großes Geheimnis dar und wird von vielen nach außen vertreten. Es muss aber eben auch gelebt und entsprechend umgesetzt werden.

Der von Ihnen beschriebene ganzheitliche Behandlungsansatz und die Arbeit in interdisziplinären Teams sind ja ganz grundsätzlich wichtige Mosaiksteine in dem an Ihrer Klinik angewandten ANOA-Konzept. Sie sind seit 2002 mit Ihrer Klinik Mitglied der ANOA. Was hat sie damals vom Konzept überzeugt?

Dr. Jäger: Wir standen wie gesagt zur Jahrtausendwende mit dem Rücken zur Wand, die drohende Umwandlung zu einer Rehaklinik hätte das Ende der Rommel-Klinik bedeutet. Daher habe ich mich umgesehen, wo ähnliche Konzepte verfolgt werden und bin auf eine Klinik in Sommerfeld bei Berlin gestoßen, deren Chefarzt Dr. Seidel mich an Herrn Dr. Psczolla, den Chefarzt der Kliniken in St. Goar und Sprecher der ANOA verwiesen hat. Bei unserem Kennenlernen war sofort klar: Wir haben dieselben Ziele, sind mit denselben Problemen konfrontiert und sehen es als unabdingbar an, inhaltlich aber auch politisch gemeinsame Strategien zu entwickeln, um das konservative Therapiespektrum der Orthopädie, der manuellen Therapie, in unserer Klinik der neuro-orthopädischen Schmerztherapie, umzusetzen und gegenüber den Kostenträgern und dem Sozialministerium ein fundiertes Konzept vorzulegen. Dabei waren Sommerfeld und St. Goar sicherlich federführend. Ohne diese – vor allem auch ideelle – Unterstützung, hätten wir uns in Bad Wildbad sehr viel schwerer getan, die Kostenträger zu überzeugen. So konnten wir uns auf Konzepte anderer Kliniken ähnlich wie die der Rommel-Klinik berufen. Diese Unterstützung war für das Fortleben und den Bestand der Klinik aus meiner Sicht überlebensnotwendig. Das Wesentliche an der Arbeit der ANOA war, dass wir über viele Jahre in einer kleinen, aber sehr effektiven Gruppe die Konzepte erarbeitet haben, ohne dass die klinik-individuellen Eigenheiten dabei untergegangen wären. Man hat den individuellen Charakter der einzelnen Kliniken bewahren können und dennoch ein gemeinsames Konzept, das deutschlandweit etabliert wurde, vertreten: das ANOA-Konzept.

Seit der Entwicklung des ANOA-Konzeptes sind fast 20 Jahre vergangen ...

Dr. Jäger: Das ist richtig. Und zweifelsohne hat diese Entwicklung in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile haben sich unzählige Kliniken, auch universitäre Einrichtungen, darin versucht, das ANOA-Konzept zu etablieren. Man sieht daran, wie sehr das konservative Prozedere auch unter akutmedizinischen Aspekten ins Bewusstsein gerückt ist und der Eine oder die Andere verstanden hat, dass nicht alles operativ gelöst werden kann, sich durch Operationen häufig sogar Situationen deutlich verschlechtern. Dass zu viel operiert wird, ist ja mittlerweile Konsens und man kann sagen: Die ANOA ist eine Marke geworden. Fachärzte in der Niederlassung, in den Kliniken, insbesondere aber auch operativen Fachgesellschaften haben die Notwendigkeit erkannt, das konservative Spektrum wieder mehr in den Vordergrund zu rücken, so dass die Stellung der konservativen Orthopädie und Manualmedizin sowie der neuroorthopädischen Schmerztherapie sicherlich als gestärkt anzusehen ist. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass sich immer mehr Kliniken unter dem Dach der ANOA zusammenschließen.

Was hat sich verändert in Bezug auf die multimodale Komplexbehandlung nach dem ANOA-Konzept?

Die Hauptveränderungen aus meiner Sicht sind vor allem die psychologischen Aspekte: Ein multimodales Konzept, auch orthopädisch geprägt, funktioniert heute nicht mehr ohne eine fundierte psychologische Evaluation, wofür auch ausgebildete Schmerzpsychologen sicherlich sehr hilfreich sind. Das zweite ist, dass wir, dabei darf ich ausnahmsweise vor allem auch mich als Person benennen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt interventionelle Verfahren etabliert zu haben: zunächst nach Methoden des Prof. Dr. Krämer, dann aber zunehmend radiologisch gesteuerte Injektionsbehandlungen an und in die Wirbelsäule, die Gelenke, die Grenzstränge, auch Weichteilinfiltrationen, Triggerpunktinjektionen, was ich als Mitglied der Spine Intervention Society mir in verschiedenen Kursen erarbeitet und in der Klinik etabliert habe. Alles in allem arbeiten wir hier nach etablierten Curricula und Prozeduren, die sehr hilfreich sind: sowohl unter diagnostischen als auch unter therapeutischen Aspekten. Gerade mit Blick auf die dramatische Verkürzung der Verweildauern stellen sie in vielen Fällen eine sehr gute Hilfe dar, um bei den Patienten den Schmerz rascher zu lindern und sie dadurch dann auch viel früher aktivierend behandeln zu können. Damit verknüpft ist, ganz allgemein gesagt, der Wandel von passiven Maßnahmen hin zu einer aktivierenden Therapie, hin zu der Übermittlung von mehr Eigenverantwortung für den Patienten: All’ das wird heute in den ANOA-Kliniken praktiziert.

Was ist das besondere Markenzeichen Ihrer Klinik?

Jäger: Hierzu gibt es natürlich viele Aspekte. Ganz eindeutig sehe ich die unvergleichlich enge Zusammenarbeit zwischen der orthopädischen und der neurologischen Abteilung im Vordergrund, der für die Diagnosestellung unserer Patienten und damit auch die Zuordnung des Krankheitsbildes von elementarer Bedeutung ist. Außerdem herrschen in unserer Klinik – nicht nur floskelhaft, sondern tatsächlich – außergewöhnlich flache Hierarchien, man könnte es so ausdrücken: „hier kocht auch der Chef“. Da ausschließlich Fachärzte in unserer Klinik tätig sind, arbeitet bei uns jeder sehr eigenständig. Konkret heißt das: Ich bin sowohl mein „eigener“ Assistenz- als auch mein „eigener“ Oberarzt. Das macht den Einsatz für unsere Patienten in allen Abteilungen glaubhaft. Eine weitere Besonderheit ist natürlich die akutmedizinische konservative Therapie, die in der Rommel-Klinik bereits im Jahr 1972 etabliert wurde. Somit können wir eine Expertise vorweisen, die so weit zurückreicht, wie sonst wohl nirgendwo anders in Deutschland.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft Ihrer Arbeit an der Rommel-Klinik?

Jäger: Ich möchte die kommenden Jahre gerne nutzen, um die Klinik noch einmal neu auszurichten, sie auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten und demzufolge auch neue Therapieoptionen – wie beispielsweise die Palliativmedizin – zu etablieren. Ein dringlicher Wunsch in diesem Kontext ist es aber auch, einen Nachfolger zu finden. In sechs Jahren werde ich in den Ruhestand gehen und möchte dies frühzeitig planen. Jemand, der sich mit großem Engagement der konservativen Orthopädie und Schmerztherapie annimmt, sich ihr verpflichtet fühlt, der es versteht, dass nur Interdisziplinarität hierfür Erfolg garantiert und zudem auch wirtschaftlich denkt, ist schließlich nicht an jeder Ecke zu finden. Daher möchte ich diesen Prozess, wie gesagt, schon heute einleiten. Und wenn ich noch eine abschließende Aussage hinzufügen darf: Die vergangenen 25 Jahre waren für mich eine Zeit, die mich ausgesprochen bereichert hat. Trotz aller Hindernisse. Die Zufriedenheit der Patienten wiegt alle Anstrengungen mehr als auf und ist die größte Motivation.

Ich danke Ihnen für das Gespräch!

 

Kontakt

Geschäftsstelle ANOA
Lisa Gauch
Hospitalgasse 11
55430 Oberwesel // Telefon: 06744/712-156

info@anoa-kliniken.de
www.anoa-kliniken.de

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